Die Bilanz zur Todesstrafe 2023: Weniger „Henkerstaaten“, aber mehr Hinrichtungen

Im November 2023 richteten die iranischen Behörden Ghasem Abesteh und Ayoub Karimi in einem Gefängnis der Großstadt Karadsch durch den Strang hin. Die beiden Männer waren Angehörige der kurdisch-sunnitischen Minderheit Irans. Die Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran hatte die Angeklagten nach einem äußerst unfairen Verfahren wegen des weit gefassten und vage formulierten Tatbestandes „Korruption auf Erden“ (efsad-e fel-arz) und Verstößen gegen die nationale Sicherheit zum Tode verurteilt.

Ein Einzelfall? Leider nein. Einmal im Jahr zieht Amnesty International Bilanz und versucht zu ergründen, wie es weltweit um die Todesstrafe steht, jener grausamen und mittelalterlich anmutenden Strafe.

Am 29. Mai 2024 wurde der jüngste Bericht vorgelegt, der das Jahr 2023 in Sachen Todesstrafe Revue passieren lässt. Und leider fällt die Bilanz erneut nicht positiv aus, wenn man die nüchternen Zahlen sprechen lässt. Im Jahr 2023 verzeichnete die Organisation mindestens 1.153 bekannt gewordene Hinrichtungen. Dies stellt einen Anstieg um rund 31 Prozent gegenüber den 883 Exekutionen im Jahr 2022 dar. Die Zahl der Hinrichtungen binnen Jahresfrist erreichte 2023 den höchsten Stand seit fast einem Jahrzehnt. Das ist sehr besorgniserregend. Einziger Lichtblick: Die Zahl der Länder, in denen die Todesstrafe vollstreckt wurde, ist deutlich zurückgegangen, und zwar von 20 im Jahr 2022 auf 16 im Jahr 2023. Dies ist ein historisch niedriger Stand.

Die globale Zunahme der registrierten Exekutionen ist maßgeblich auf ein beträchtliches Ansteigen der Zahlen in Iran zurückzuführen: Dort schnellten die Hinrichtungszahlen von 576 im Jahr 2022 auf mindestens 853 im Jahr 2023 hoch, was einer Steigerung um 48 Prozent entspricht. In Iran setzten die Behörden die Todesstrafe offenkundig verstärkt dazu ein, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen.

Die Einstufung der Todesstrafe als Staatsgeheimnis und der Einsatz anderer restriktiver Praktiken in China, Nordkorea und Vietnam sowie in anderen Staaten beeinträchtigten jedoch weiterhin die Möglichkeit, das Ausmaß der Todesstrafe präzise bewerten zu können. Das trifft insbesondere für China zu, den führenden „Henkerstaat“, wo vermutlich jedes Jahr Tausende Menschen hingerichtet werden. China unberücksichtigt, sind 2023 drei Länder – Iran, Saudi-Arabien und Somalia – für 92 Prozent der weltweit registrierten Hinrichtungen verantwortlich. Zu bedenken ist, dass die in dem neuen Amnesty-Bericht angegebenen Gesamtzahlen zur Todesstrafe lediglich Mindestzahlen darstellen, die das tatsächliche Ausmaß der von den Staaten im Laufe des Jahres 2023 gefällten Todesurteile und durchgeführten Hinrichtungen nur teilweise beschreiben.

Amnesty International verzeichnete mindestens 2.428 neue Todesurteile im Jahr 2023, ein Anstieg um 20 Prozent gegenüber den 2.016 bekannt gewordenen Todesurteilen des Jahres 2022. 52 Staaten ließen im vergangenen Jahr Personen zum Tode verurteilen. Im Vergleich zu 2022 gab es einen signifikanten Anstieg der Zahl der neu verhängten Todesstrafen in den folgenden Ländern: Ägypten, Bangladesch, Irak, Kenia, Libanon, Malaysia, Nigeria und Somalia. Fünf Länder – Belarus, Kamerun, Japan, Marokko/Westsahara und Simbabwe – verhängten 2023 Todesurteile nach einer Unterbrechung. Ende 2023 waren weltweit mindestens 27.687 Menschen zum Tode verurteilt.

Weitere Informationen findet ihr auf der Website der Kogruppe Todesstrafe.